Linien sind nicht immer linear

FrauenmaerzTempelhof mag zwar immer noch im leichten Dornröschenschlaf vor sich hindämmern, aber was Ute Knarr-Herriger mit der dezentralen Kulturarbeit auf die Beine stellt, kann sich sehen lassen. Am Freitag wurde der Frauenmärz 2013 eröffnet: Lebenslinien – ein Monat Kunst, Kultur, Politik und Frauenemanzipation in Tempelhof-Schöneberg.

Viele Frauen, viele Leben, viele Möglichkeiten. Lebenslinien ist das Thema des diesjährigen Frauenmärzes, der bereits zum 28. Mal in Tempelhof und Schöneberg stattfindet. Das Spektrum ist breit: Fast täglich werden Lesungen, Filme, Tanzmusiktheater, Improtheater, Ausstellungen und eine Unternehmerinnenmesse  an unterschiedlichen Orten im Bezirk angeboten.

Das Opening fand im Gemeinschaftshause Lichtenrade statt, einem Ort,der auch als Seniorenfreizeitstätte genutzt wird. Das war vielleicht der Grund, warum das Haus zwar voll war, das Durchschnittsalter ab weit über 40 lag.

John02Barbara John, ehemalige Ausländerbeauftragte des Berliner Senats, ist heute Ombudsfrau für die Hinterbliebenen des Neonaziterrors des NSU. Sie erzählte von türkischen Lebenslinien. Von einer Türkin, die, in Berlin geboren und aufgewachsen, bis zu ihrem 35. Lebensjahr kaum Deutsch sprach, denn ihr Leben spielte sich vor allem in der türischen Community ab. John erzählte von Musliminnen, die Fußball spielten, weil sie Spaß hatten, nicht um “gegen die Eltern und den Koran zu kicken”, wie eine Wochenzeitung reißerisch formulierte. Gewohnt leidenschaftlich appellierte Barbara John, andere Kulturen und Lebensentwürfe nicht als Gefahr, sondern Ergänzung zu sehen.

Für Jutta Kaddatz, ehemalige Lehrerin und heutige Stadträtin für Bildung, Kultur und Sport, hat jede Linie einen Anfang und ein Ende. “Was dazwischen ist, muss aber nicht immer gerade sein.” Sie wolle vor allem junge Frauen für die Zukunft fit machen. Diese waren leider an diesem Abend kaum zu sehen.

Ganz schön abgehoben

PilotinnenKörper, Stimme, Elektronik und skurrile Texte waren der Treibstoff, mit dem sich die Pilotinnen auf die Bühne katapultierten.

Sphärische Töne aus der Loopstation verschmolzen mit Geigenklängen, ein fragiles blaues Zelt und die Fliegerkappen erinnerten an den Kleinen Prinzen.

Während die Töne von Lina Fai durch den dunklen Raum schwebten, verwandelte sich Katharina Wunderlich in ein unglaubliches gelenkiges, fast überirdisches Wesen.

 

Musik der anderen Art bot T.C. Jakob. Im Glitzerfummel, mit rollendem R und rauchiger Stimme gab der Künstler Lieder aus seiner Zarah-Leander-Revue zum Besten und begeisterte damit die Zuhörerinnen und Zuhörer.

Zimmer

Joana Zimmer stand schon als Teenager in Berliner Jazzclubs auf der Bühne. Die 31-jährige Sängerin, von Geburt an blind, hat eine großartige Stimme, überzeugte an diesem Abend mit ihren Balladen nicht wirklich.

Mit dunkler Sonnenbrille, im türkisfarbenen langen Kleid wirkte sie seltsam unbeweglich und hölzern, ihr Abschlussong “Papa, can you hear me” aus dem Film Yentl wirkte wie eine überakzentuierte Kopie des Originals von Barbra Streisand.

 

 

Die Drei aus der Impro

dreiEinmalig waren die Schauspielerinnen von frei.wild. Moderiert von Maja Mommert, improvisierten Christian Sauer, Anett Heilfort und Yvette Dankou in kurzen Sketchen, was ihnen das Publikum vorgab. Zum Brüllen komisch war vor allem die Darbietung als Gebärdendolmetscherin. Es ist schon eine besondere Kunst, den Namen Hase-Schneider mimisch zu übersetzen  oder den Spruch “zurück auf den Boden der Tatsachen kommen.” Yvette Dankou beherrscht diese Kunst meisterhaft.

 

 

Petting in der Stadt im Winter

FrostEine Meisterin ihres Faches ist auch Cora Frost. Die gebürtige Münchnerin ist schon lange auf Berliner Bühnen zu Hause. In Lichtenrade begeisterte und verschreckte die Sängerin mit starker Stimme und schrägen Texten. In poetischen Erzählungen besang sie absurde Alltäglichkeiten voller Sehnsucht, berührend um die Ecke gedacht und kein bisschen linear.

 

 

 

Organisiert wird der Frauenmärz von Ute Knarr-Herriger, die mit ihrem Team in vergangenen Monaten mächtig gewirbelt hat, um alle Künstlerinnen unter einen Hut bzw. auf eine Bühne zu bringen. Lebenslinien. Noch bis 24. März in Tempelhof und Schöneberg.

Informationen zu allen Veranstaltungen finden Sie unter www.frauenmaerz.de

Fotos © Katrin Schwahlen 2013

 

Kategorie: Leben + Lassen | Schlagwort: , , , , , , , , , | Permalink.

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